Anna Schneider* hat Beschwerden beim Schlucken. Nach einem Schlaganfall Anfang März, ging plötzlich gar nichts mehr. Die 76-Jährige konnte weder selbstständig essen noch trinken. Den täglichen Kalorienbedarf bekam Sie über einen Schlauch in der Bauchdecke. „Ich wünschte mir nichts mehr, als endlich wieder eine ganze Mahlzeit alleine essen und trinken zu können“, sagt die Rentnerin heute.
Als die Reha in der Helios Klinik Kipfenberg begann, musste sie vieles neu lernen. Anfangs durfte sie nur mit der Hilfe einer Schlucktherapeutin kleine Mengen pürierter Lebensmittel und angedickte Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Zu hoch war das Risiko sich zu verschlucken und eine Lungenentzündung zu bekommen. „Schluckstörungen sind eine furchtbare Einschränkung der Lebensqualität“, erklärt Professor Dennis A. Nowak, Ärztlicher Direktor der Klinik.
Mit Hirnstimulation gegen die Folgen des Schlaganfalls
Nowak arbeitet mit seiner Forschergruppe in der Helios Klinik Kipfenberg seit knapp zehn Jahren daran, das Ausmaß dauerhafter Behinderung nach einem Schlaganfall zu verringern. Dabei nutzt er moderne Verfahren der technischen Hirnstimulation. Mit Strom oder Magnetpulsen werden bestimmte Areale im Gehirn angeregt oder gehemmt. „Das fördert die Hirnplastizität und ermöglicht, dass Nachbarareale um die vom Schlaganfall betroffene Region aktiv werden und die Funktion der verloren gegangenen Nervenzellen übernehmen“, so Nowak. Mit dieser Methode erholen sich viele Patienten nach einem Schlaganfall schneller und besser, sagt Nowak, der an der Universität Marburg lehrt.
Anna Schneider interessieren die Technik und die Hypothesen, die dieser Forschung zugrunde liegen nur wenig. Sie möchte nur bald wieder schlucken können. Deshalb hat sie sich bereit erklärt an der Studie der Helios Klinik Kipfenberg teilzunehmen. Kathrin Bösl und Franzisca Treffer, Mitglieder des Forscherteams und Ergotherapeutinnen, bereiten die Behandlung vor und fixieren zwei Elektroden auf Anna Schneiders Kopf. Über die Elektroden wird ein geringer Strom in die Schluckzentren der Großhirnrinde abgegeben. Nicht spürbar, aber wirksam. „Wir hoffen durch die Stimulation der Schluckzentren eine langfristige Verbesserung der Schluckfunktion zu erzielen“, erklärt Treffer, „Überprüft werden die Effekte der Stimulation mit einer apparativen Schluckuntersuchung, mit der wir die Qualität des Schluckens vorher und nachher bewerten können.“
Die Kipfenberger Forschergruppe nutzt die Technik der Hirnstimulation zur Erforschung der Behandlung verschiedenster Einschränkungen nach einem Schlaganfall und veröffentlicht ihre Ergebnisse weltweit. Sie wollen die Therapie verbessern, müssen die Abläufe aber erst einmal verstehen. „Das Hirn ist hochkomplex. Nur wenn wir die Veränderungen der Hirnerregbarkeit verstehen, die nach einem Schlaganfall stattfinden, können wir gezielt Erholungsprozesse unterstützen“, erklärt Nowak.
Ein Stück Kuchen als größtes Geschenk
Anna Schneider geht es tatsächlich besser. Vor wenigen Tagen feierte sie ihren 77. Geburtstag in der Klinik. Ein Geschenk hat sie sich dabei selbst gemacht. Nach vielen Stunden der Therapie kann sie ihren Geburtstagskuchen wieder genießen. Nur den dazugehörigen Kaffee musste sie noch in angedickter Form trinken. Durch das Andicken einer Flüssigkeit vermindert sich die Gefahr des Verschluckens.
* Name geändert