Wenn plötzlich nichts mehr einfach ist

Wenn plötzlich nichts mehr einfach ist

Der 10. Oktober 2012 veränderte das Leben von Friederike Tautz. Das Auto der 20-Jährigen kam ins Schleudern und wickelte sich förmlich um einen Baum. Ein Überlebenskampf begann. Nach dem Aufenthalt im Akutkrankenhaus in Innsbruck kam Friederike Tautz zur neurologischen Reha in die VAMED Klinik Hattingen. Eineinhalb Jahre später stellt sie mit ihrer Mutter Anke Tautz ihr Buch „Wenn plötzlich nichts mehr einfach ist – zurück ins Leben“ vor.

Friederike Tautz hatte Glück im Unglück: Sie verlor nicht ihr Leben, aber für lange Zeit ihre Selbstständigkeit. Schädel-Hirn-Trauma lautete die Diagnose. Kopf-OP, Einblutungen im Gehirn, Koma und die Prognose der Ärzte, dass die Chance auf ein selbstständig geführtes Leben gering sei, ließen niemanden ahnen, wie sich die junge Frau innerhalb eines Jahres zurück ins Leben kämpfte. In ihrem Buch, das Betroffenen Mut machen und ihr helfen soll, das Erlebte zu verarbeiten, findet man keine Erinnerungen an die Zeit im Koma. „Ich habe in dieser Phase nichts wahrgenommen“ sagt sie.

In der neurochirurgischen und neurologischen Reha-Klinik in Hattingen muss sie all das neu erlernen, was der Körper seit fast 20 Jahren aus dem Effeff konnte: die Umwelt wahrnehmen, schlucken, essen, trinken, sprechen, sitzen, stehen, gehen, lächeln. Lächeln? Das bringen ihr die Therapeuten und Pflegemitarbeiter aus dem Kinder- und Jugendhaus der Klinik rasch bei, denn die eigene Motivation ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.

Alles ist Therapie

Jeder Handgriff, jede Situation, in der sie sich befindet, muss neu erlernt und gemeistert werden. „Selbstverständliches wird zur großen Herausforderung“, sagt Friederike Tautz. Die Nase putzen, waschen, einen Trinkbecher nutzen, Worte finden und formulieren. Alles müssen ihr Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten langsam beibringen. Die Musik- und Kunsttherapie dient der Stärkung der kognitiven Fähigkeiten. War es anfangs ein langer Lidschlag, der ein Ja signalisierte, lernt der Mund mit der Zeit dieses Wort wieder auszusprechen. Erst ist es ein Krächzen, danach entwickeln sich daraus ganze Worte, am Anfang noch undeutlich, verwaschen und nuschelig.

Psychologen der Klinik kümmern sich um die Therapie der Seele. Mit zunehmender Wahrnehmung der Außenwelt fällt es schwerer, die eigenen körperlichen Einschränkungen zu akzeptieren. „Eine Prognose kann einem niemand geben“, sagt Friederike Tautz. Das Gehirn ist sehr flexibel. Der Mensch verfügt über rund 100 Milliarden Gehirnzellen, von denen jede bis zu 10.000 Verbindungen eingeht. Bei einer Schädigung übernehmen oft andere Bereiche die Funktionen des untergegangenen Gewebes. Oft, aber nicht immer.

Bleibt noch die Frage: warum ich? „Diese Frage hat mich beschäftigt und eine Freundin hat sie mir sehr schön beantwortet“, sagt Friederike Tautz. Wenn nicht du, wer dann? Wer hätte die Kraft gehabt, das durchzustehen? Viele hätten längst aufgegeben habe sie gesagt. Friederike Tautz hat den langen Kampf nie aufgegeben, steht nicht nur sprichwörtlich mit beiden Beinen wieder im Leben. Ihr größter Traum geht zwei Jahre nach dem Unfall in Erfüllung: Die 22-Jährige nimmt ihr Studium da auf, wo es für sie lebenswert und am schönsten ist, in Österreich.

Funktionsstörungen und Reha-Ziele

Funktionsstörungen

  • Apallisches Syndrom
  • Harninkontinenz
  • Stuhlinkontinenz
  • Spastische Tetraparese und Tetraplegie

Ziele der neurologischen Reha

  • Verbesserung der Vigilanz
  • Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten
  • Verbesserung der Schluckstörung
  • Verbesserung der Sprachstörung
  • Verbesserung des Transfers Liegen-Sitzen
  • Verbesserung des Transfers Sitzen-Stehen
  • Verminderung der Tetraparese
  • Anbahnen des Gehens